Antrag: Ersatzfreiheitsstrafen vermeiden: Keine Strafanzeigen wegen Leistungserschleichung bei der EVAG und der Erfurter Bahn

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Die Erfurter Verkehrsbetriebe AG und die Erfurter Bahn stellen sicher, dass Beförderungserschleichungen künftig nur noch auf zivilrechtlichem Wege verfolgt werden. Auf eine Anzeigenstellung im strafrechtlichen Sinne wird ab dem 1. Januar 2025 verzichtet.

Begründung:

Zahlreiche Kommunen haben sich in den vergangenen Monaten dazu entschieden, Leistungserschleichungen im kommunalen Nahverkehr nicht mehr strafrechtlich anzuzeigen, sondern zivilrechtlich zu verfolgen, zuletzt auch Köln. Hintergrund ist, dass gegen Personen, die mehrfach kein Ticket vorweisen können, Strafanzeige gestellt werden kann. Wenn es zur Verurteilung kommt, kann eine sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe verhängt werden.

Regelmäßig werden jedes Jahr 2000 Ersatzfreiheitsstrafen in Thüringen verhängt. Zuletzt wurden jährlich in knapp 1000 Fällen Personen aufgrund von Leistungserschleichungen verurteilt, wovon ein Teil die entsprechende Strafe vermutlich nicht leistet, auch keine andere Maßnahme zur Abwendung einer Ersatzfreiheitsstrafe, und daher mit einer solchen belegt wird. Durchschnittlich entfallen etwa 50 Hafttage auf diese Personen, wobei jeder Hafttag den Staat 150 Euro kostet.

Das Strafrecht ist ungeeignet, um Menschen in sozialen Problemlagen zu erreichen. Die Kriminologie zeigt, dass Ersatzfreiheitsstrafen keine positiven Effekte haben, davon aber insbesondere Wohnungslose, Suchtkranke, psychisch Erkrankte oder alleinstehend Demente betroffen sind – also in außergewöhnlichen Lebenssituationen. Wenn diese dann im Gefängnis sitzen, werden schlimmstenfalls dadurch Therapien abgebrochen oder Menschen aus (wenigen noch bestehenden) sozialen Beziehungen gerissen. Durch den Steuerzahler muss auch noch ein Vielfaches von der Summe, die ursprünglich erschlichen wurde, verwendet werden für die Haftkosten. Mit einem Verzicht auf Strafanzeigen wird der Staat entlastet und kann sich um Menschen in Problemlagen kümmern. Perspektivisch braucht es eine Anpassung des Strafrechts auf Bundesebene, die Leistungserschleichung nicht weiter als Strafrechtbestand ansieht.

Erfurt sollte dem Vorbild anderer Kommunen folgen, damit niemand, der in Erfurt ohne Ticket erwischt wird, ins Gefängnis kommt. Der Gefängnisaufenthalt für Menschen, die ein Strafgeld nicht bezahlen können, ist ein Relikt des letzten Jahrhunderts. Daher schlagen wir vor, dass die EVAG und die Erfurter Bahn keine Strafanzeigen mehr stellen, sondern Leistungserschleichungen weiterhin zivilrechtlich verfolgen. Es gibt damit weiter die Möglichkeit, das erhöhte Beförderungsentgelt von 60 Euro auf zivilrechtlichem Weg einzuklagen.

Ferner wird die Thüringer Polizei, hier insbesondere die Erfurter LPI, entlastet. Entsprechend einer Kleinen Anfrage im Thüringer Landtag ergibt sich ein durchschnittlicher Arbeitsaufwand von circa 90 Minuten für eine Anzeige. Nach dem Anzeigeaufkommen der vergangenen Jahre entspricht das für die LPI Erfurt 2.538 jährliche Arbeitsstunden für 1.692 entsprechende Verfahren (zu beachten ist, dass die LPI Erfurt auch Sömmerda umfasst, jedoch die Fälle der Bundespolizei nicht aufgeschlüsselt werden können).


Stellungnahme vorhanden

Zum Vorgang: https://buergerinfo.erfurt.de/bi/vo0050.php?__kvonr=58054

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